Fussball. – Die physiologischen Merkmale der Fussballspieler verdeutlichen, wie sich der Sport in den letzten Jahrzehnten wesentlich verändert hat. Die Spieler von heute sind grösser, schneller, stärker und kräftiger als ihre Vorgänger. Sie haben allgemein höhere physiologische Kapazitäten, wodurch sie längere Strecken in kürzerer Zeit zurücklegen können. Die Dimensionen des Fussballfeldes haben sich nicht geändert, um die physiologischen Veränderungen auszugleichen. Das Spielfeld ist demzufolge zu eng geworden. Es bietet den Stars weniger Raum, sich markant hervorzutun, so wie es etwa Diego Maradona oder Zinedine Zidane in vergangenen Jahren möglich war.
Die Regeln des Spiels haben sich nicht in angemessener Weise mit den physiologischen Veränderungen entwickelt. Keine Regeln wurden ausgearbeitet, um mehr Raum zu schaffen oder das Fussballfeld zu erweitern und das Spiel in seiner Natur offensiver zu gestalten.Wenn ein Spieler mit der roten Karte vom Platz verwiesen wird, verändert sich das Spiel gänzlich. Auf einmal wird dem Spiel wieder Raum gegeben. Die Spieler können ihr Naturtalent und ihre Geschicklichkeit einsetzen, um wirklich zu zeigen, was sie können.
Jeder Sport entwickelt sich mit der Zeit – in technischer, taktischer und physischer Hinsicht. Es gibt viele Ideen, welche die Fédération Internationale de Football Association (Fifa) sich betrachten könnte, um mancherlei Probleme, mit denen das Spiel gegenwärtig belastet ist, zu beheben. Es gibt einfach keine Entschuldigung dafür, dass die Fifa bis jetzt so wenig getan hat, diese Situation umzudrehen oder zumindest eine gründliche Prüfung der Spielregeln voranzutreiben. Unten angeführt ist eine Reihe von unkomplizierten Vorschlägen zu verschiedenen Aspekten des Spiels. Sie sollen dazu dienen, dem Sport neues Leben zu geben, sodass wir dieses Geschenk des Himmels wieder «das schöne Spiel» nennen dürfen.
Das Problem mit der Uhr
Derzeit läuft die Uhr ohne Unterbrechung, und am Ende des Spiels werden ein paar Minuten Zeit für Verletzungen eingeräumt. Nach dem hier vorgeschlagenen neuen Regelsystem wäre die Zeitkontrolleinrichtung für jeden sichtbar und die Spielzeit würde im Falle eines Fouls, eines verletzten Spielers im Fussballfeld, eines Eckballs oder Einwurfs jedes Mal abgestoppt. Daher müsste die Spielzeit entsprechend reguliert werden, um die Unterbrechungen einzukalkulieren. Anstatt zwei Hälften à 45 Minuten gäbe es zwei Hälften à 35 Minuten ohne extra Nachspielzeit für Verletzungen. Eine neue Zeitregulierung jeder Spielhälfte würde dadurch notwendig, dass eine Unterbrechung im Rahmen von zwei 45-Minuten-Hälften nicht tragbar wäre.
Derzeit wird der Hauptschiedsrichter auf dem Platz von zwei Linienrichtern unterstützt. Das Hinzufügen von weiteren Schiedsrichtern im Feld – je einer in jeder Hälfte des Fussballfeldes und hinter jedem Tor, um das Vorgehen im Strafraum zu beobachten – würde viele der durch verfehlte Aufrufe entstehenden Probleme berücksichtigen. Wie berichtet wird, zieht die Fifa zurzeit die Möglichkeit, extra Schiedsrichter hinzuzufügen, in Betracht.
Spieler, die innerhalb des Strafraums theatralisch «schwalben» in dem Versuch, die Schiedsrichter in die Irre zu führen, um einen Elfmeter zu ergattern, sollten sofort die rote Karte erhalten und für zwei Spiele suspendiert werden. Die Mannschaft, welche solche Verstösse innerhalb des Strafraums durchführt, wäre folglich gezwungen, den Rest der Partie mit einem fehlenden Mann zu spielen und sich auch einem Elfmeterschuss auszusetzen.
Regelreformen würden auch die Erschaffung einer neu abgegrenzten Angriffszone an beiden Enden des Feldes beinhalten. Zwischen dem Mittelfeld und dem äusseren Ende des Strafraums würde eine punktierte Linie gezogen sein. Der Abseitsbereich (Angriffszone) wäre der Raum zwischen der Torlinie und der neugeschaffenen punktierten Linie. Die Begrenzung des Abseitsbereichs würde mehr offenen Raum im Spielfeld schaffen und könnte zum Erzielen von mehr Toren führen.
Überdenken von Strafen nach Fouls
Eine Überlegung wert ist auch ein anderes System, in dem eine bestimmte Anzahl Fouls in einer Mannschaft den Verweis des jeweiligen Spielers für einen ausgedehnten Zeitraum zur Folge hat. Zum Beispiel würde eine Mannschaft jedes Mal, wenn sie fünf Fouls begeht, mit der zehnminütigen Entfernung eines Spielers vom Feld bestraft werden und müsste einen Elfmeter abwehren.
Über den Einsatz von Instant Replay ist in den letzten Jahren diskutiert worden. Es ist eine Frage, die mit viel Vorsicht und Überlegung angegangen werden muss, denn der Einsatz von Instant Replay würde den philosophischen Kern des schönen Spiels grundlegend zerstören.
Das tägliche Leben und das Fussballspiel werden von einem kontinuierlichen Strom von möglicherweise verhängnisvollen Ereignissen gekennzeichnet, welche nicht zurück-gedreht werden können und keine Schicksalswende erlauben. Diese im Wesentlichen philosophische Dynamik des Spiels zu unterbrechen ist unnatürlich, nicht human, und widerspricht der Idee der Vorherbestimmung. Das ist eine Zuflucht, die wir im Leben nicht besitzen und die wir im Wettspiel nicht haben sollten. Ein Fussballspiel – so wie das Leben – greift auf solch konkurrierende Themen wie Gerechtigkeit, Ungerechtigkeit, Sieg, Niederlage, Glück, Traurigkeit, Tragödie und Hochgefühl zurück. Die Komplexität und das Drama, mit denen solch stark emotionale Begriffe befrachtet sind, verleihen dem Spiel eine geheimnisvolle und zauberhafte Aura. Der Reiz und das Mysteriöse des Unbekannten sind ein wesentliches Element im Kern des täglichen Lebens und des Spiels beim Fussball. Der Ausgang eines Spiels ist unbestimmt. Es ist dieser dauernde Zustand der Unvorhersehbarkeit, der den Fussball so dramatisch, fesselnd und zur Leidenschaft der Massen macht.
Es wird allmählich Zeit, dass die Fifa sich die Gesetze näher betrachtet, denen das schöne Spiel unterliegt. Die derzeit bestehenden veralteten Gesetze des Spiels haben mit der sich verändernden Kapazität der Spieler nicht Schritt gehalten, und darunter hat das Schöne des Spiels gelitten. Jemand in den höheren Regionen im Machtgefüge des Fussballsports sollte den Ruf zur Erneuerung zur Kenntnis nehmen und dem Spiel eine neue Richtung geben.
* Ricardo Guerra ist Trainingsphysiologe mit Fachstudienabschluss (Master of Science) in Sportphysiologie der Liverpool John Moores Universität. Er hat mit mehreren Klubs und Teams im Mittleren Osten und in Europa gearbeitet, unter anderem mit den Nationalteams von Ägypten und Quatar. Der Autor kann unter rvcgf@yahoo.com kontaktiert werden.
Deixe um comentário